Hamburg zu besuchen, ist ein Fest. Wilhelmsburg kennenzulernen, ist eine Einladung. In der Inselpension zu übernachten, ist wie ein liebevolles Zuhause unterwegs.
Die Schnapsidee am Dortmunder WG-Küchentisch
Wir haben uns schon 2004 gefragt, was man mit einem Raumplanungsstudium Sinnvolles anfangen kann und die Antwort, die uns am Besten gefiel war: einen interessanten Ort finden, ein kleines feines Hostelchen betreiben und sich von dort aus für ein zukunftsfähiges Zusammenleben engagieren.
Einfacher gesagt als getan. Aber nach einigen Irrungen und Wirrungen des Lebens verschlug es uns 2007 dann zumindest schonmal nach Hamburg…
Erstmal kam alles ein bisschen anders
Jost’s Job war auf der Elbinsel lokalisiert und so lernten wir ziemlich bald Wilhelmsburg kennen – ein Stadtteil Hamburgs, der mit Sicherheit keine Liebe auf den ersten Blick ist, aber immer einnehmender wurde mit jedem Besuch. Schrammelig und unrenoviert, vermüllt und vernachlässigt und doch von gelassenen und kreativen Menschen bewohnt, die die Schönheit des Schattendaseins längst erkannt hatten.
Wir fanden erstmal Hamburg super. Dort haben wir auch nichts ausgelassen – Schanze, St.Pauli, Festivals, Kultur, Restaurants, Bars…
Dann wurde ich schwanger. Die Freude war riesig! Aber nun wurden wir Eltern und stellten große Fragen: wie geht es weiter? Wie wollen wir leben? Als Bauzeichnerin und Dipl-Ing. der Raumplanung befand ich mich bereits in meinem zweiten Job, der mich zwar -wie auch schon der erste- sehr in Anspruch nahm, aber nicht fesselte. Ich konnte meine Neugierde und die Freude an Entwicklung und Veränderung nicht ausleben.
Damit weitermachen? Ne, lieber nicht. Oder zumindest nicht ganz so. Aber wie?
Eine Schnapsidee wird Wirklichkeit
Wilhelmsburg ist ein Fisch sagen Kinder mit Blick auf die Karte, Wilhelmsburg ist eine Fluss-Insel sagt der Stadtplaner, Wilhelmsburg ist ein Dorf sagen seine Bewohner. Uns wurde klar: Wilhelmsburg ist ein Zuhause, in dem wir die Dortmunder Küchentisch-Schnapsidee verwirklichen können.
Das Konzept des Hostelchens zu entwickeln war schwierig – wir wollten kein vertikales Hotel, in dem alles in sich organisiert ist. Kein vertikales Gebäude, aus dem der Besucher gar nicht rausgehen muss, weil alles ja schon total hamburgisch dekoriert ist und alle MOIN sagen. Unser Hostel sollte ein horizontales Hotel sein: es sollte den Horizont erweitern, weil unsere Gäste sich ihren Hamburg-Besuch mit den Besonderheiten der Elbinsel selber ergänzen dürfen, müssen, sollen und wollen.
Die für uns logische Konsequenz war dann auch die jetztige Form unserer Inselpension: kleine Übernachtungseinheiten auf der Elbinsel verteilt mit ihren unterschiedlichen Adressen, Atmosphären, Größen, Ausstattungen und Nachbarschaften.
Für uns, für euch, für dich und mich
Nachdem Ort und Konzept feststanden, ging es auf zum Klinkenputzen bei Banken, Immobilienbesitzer und – verwalter, Start-up-Frühstück, -Mittagsessen, -Snacks und -Abendessen, bei der IHK, in Lift-Gesprächen, bei Künstlern, Entscheidern und Kreativ-Playern. Wir waren überall und alle so HÄ? Von manchen wurden wir für mutig, von anderen verrückt und von wieder anderen zu einem „horizontalen Gewerbe“ erklärt.
Während des ganzen Erklärens und Vorstellens wurde ich IMMER gefragt, wer denn unsere Zielgruppe sei.
Meine Antwort war immer: ICH. Die Gründe für meine Reisen sind unterschiedlich, aber deshalb ist es doch umso wichtiger, einen zuverlässigen Anlaufpunkt zu haben, der auf meine Bedürfnisse als Arbeitende, Feiernde, Verheiratete, Kümmernde, Erholende, Reisende, Aktive oder Faulenzende zugeschnitten ist:
Vom es ernst meinen und feste Wurzeln schlagen
2011 habe ich all meinen Mut zusammengenommen, studierte Tourismus-Management, schrieb einen Businessplan, designte Betten, entwickelte Marke und Logo, kündigte meinen Job, fand Kooperationspartner, lieh Geld und durchspielte zusammen mit Design-Studierende und Marketing-Auszubildende unsere Ideen und TADAAA!:
Im Mai 2013 konnten wir unsere ersten zwei Übernachtungsinseln in Wilhelmsburg eröffnen.
2014 haben wir dann auch unser endgültiges Elbinsel-Zuhause-Haus gefunden, haben geheiratet und unsere kleine Familie mit einer zweiten Tochter vervollständigt.
Zusammen ist es schöner
Ein wichtiger Teil der Inselpension ist für uns das Miteinander: Wandgestaltung, Interieur, Dekoration, Kunst und Design von der Elbinsel sind in unseren Unterkünften an vielen Stellen zu finden. Eigentlich hatten wir uns dieses Miteinander aber noch intensiver gewünscht. Als sich im EG unseres Hausmeisterhäuschen-Zuhauses die wundersame Gelegenheit bot eine kleine Gewerbefäche zu gestalten, ergriffen wir sie sofort. Wir hatten die Vision, sie für unsere Nachbarn und Gäste öffnen zu können, denn Musik und leckeres Essen mag doch jeder!
2015 nahm dann mein Mann Jost ebenfalls all seinen Mut zusammen und hat auf dieser Gewerbefläche mit der Minibar einen richtig guten Ort geschaffen. Das war dann auch unser Anfang, uns endlich für ein zukunftsfähiges Zusammenleben engagieren zu können: von schrägen Spinnereien am Mittagstisch über Gründungen von Initiativen bis hin zum nächtlichen Diskurs über gesellschaftliche Entwicklungen um uns herum.
Willkommen unterwegs und daheim
Die Elbinsel ist ein wilder Mix aus Schichten, Kulturen, Milieus und Mitbewohnern, der verlangt, dass wir uns mit dieser Besonderheit auseinandersetzen. Mitunter schwierig, mitunter laut, aber immer voller Respekt und Freude tüfteln wir alle an einer friedvollen, gesunden und leidenschaftlichen Gesellschaft. Manchmal hilft meine Ausbildung dabei – aber was immer hilft, ist das Talent aller Kinder: der Perspektivwechsel.